Abstimmung Mittwoch, 28.09.2011 ab 12.00 Uhr
Hintergrund:
Im September 2010 hat die EU-Kommission ein Gesetzespaket mit Maßnahmen zur Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts und ein neues Überwachungsregime für makroökonomische Ungleichgewichte vorgeschlagen. Demnach sollen Sanktionen früher und schneller verhängt werden: nicht erst im korrektiven Arm (wenn ein Mitgliedstaat die Schuldengrenze von 3% Defizit und/oder 60% Gesamtverschuldung reißt), sondern bereits im präventiven Arm. Darüber hinaus sollen Sanktionen ‘halb-automatisch’ greifen, neue Regeln zum Schuldenabbau festgelegt werden (bei einem Schuldenstand von über 60% des BIP soll der Anteil, der die 60%-Marke überschreitet, in drei Jahren jährlich um 5% reduziert werden) und bei groben Fehlentwicklungen makroökonomischer Ungleichgewichte (z.B. Handelsüberschüsse und -defizite) Sanktionen verhängt werden.
EP-Position:
Eine konservativ-liberale Mehrheit hat sich mit Rat auf einen einseitig verschärften Austeritätspakt verständigt, wonach das Schuldenproblem allein durch Sanktionen gelöst werden soll. Sozialdemokratische Forderungen nach Wachstumsimpulsen, verbindlichen Investitions- und Beschäftigungszielen sowie Eurobonds lehnten Ministerrat sowie Konservative und Liberale kategorisch ab. So sollen, wie im KOM-Vorschlag, Sanktionen bereits im präventiven Arm verhängt werden, die ‘halb-automatisch’ greifen: im präventivem Arm wird ein KOM-Vorschlag angenommen, wenn der Rat ihn nicht mit einer einfachen Mehrheit blockiert. Im korrektiven Arm hingegen kann der Rat Sanktionen nur mit einer qualifizierten Mehrheit verhindern. Bei der Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte setzten sich die Sozialdemokraten durch: sowohl Überschuss- als auch Defizitländer werden überwacht und müssen ihre Leistungsbilanz durch Reformen ausgleichen (sog. symmetrischer Ansatz). Länder wie Deutschland müssen demnach die schwache Binnennachfrage ankurbeln, falls die Kommission sie dazu auffordert. Weitere sozialdemokratische Erfolge: Sicherheitsklausel zum Schutz der Tarifautonomie (Monti-Klausel), Scoreboard enthält breite Skala von Indikatoren mit sozialen Aspekten (z.B. Arbeitslosenrate, Ausgaben in Forschung und Entwicklung).
SPD-Position:
Der Wachstumsmotor in Deutschland als auch in Europa ist gehörig ins Stottern geraten. Zur Überwindung der Schulden allein auf Haushaltskonsolidierung zu setzen ohne eine verbindliche Investitionsstrategie für Wachstum und Beschäftigung zu verfolgen, ist die falsche Antwort, die gerade jetzt, am Vorabend einer möglichen globalen Rezession, Gefahren birgt.
Wirtschaftliche Fehlentwicklungen können nur aufgespürt werden, wenn der Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht nur die Einhaltung der Schuldengrenze überprüft, sondern auch die Qualität der Staatsausgaben überwacht. S&D-Vorschlag: EU-Parlament und Rat ermächtigen die Kommission wachstumsfördernde Investitionen (z.B. im Bereich Bildung und Forschung) zu definieren, die bei der Bemessung der Schuldengrenzen gesondert betrachtet werden. Eine verbindliche Verankerung der EU2020-Ziele soll sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten ihre Budgets nicht wahllos zusammenkürzen und sich kaputtsparen, sondern Anreize vorfinden, um Zukunftsinvestitionen für mehr Wachstum zu tätigen. Eurobonds sollen verbindlich eingeführt werden und einen begrenzten Teil der Staatsschuld (bis zu 60% des BIP) abdecken.