Italienische Ratspräsidentschaft stellt ihre Prioritäten vor
Die Zahl an Flüchtlingen, die über das Mittelmeer nach Italien gelangen, nimmt weiter zu. Vor diesem Hintergrund wird die Zukunft der europäischen Migrations- und Asylpolitik ganz oben auf der politischen Agenda der italienischen Regierung stehen, die für die kommenden sechs Monate den turnusgemäßen Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.
Wir brauchen eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, die diesen Namen auch verdient. Bis jetzt ist der Gemeinsamen Europäischen Asylpolitik nur das Papier gemeinsam, auf dem sie geschrieben steht.
Nach der Flüchtlingstragödie vor Lampedusa, die im vergangenen Oktober über 400 Menschenleben kostete, hat Italiens Regierung das Rettungsprogramm ‘Mare Nostrum’ geschaffen. Seit Beginn dieses Jahres sind etwa 55 000 Flüchtlinge in Italien angekommen. Deutlich mehr als im gesamten Jahr 2013.
Eine gerechte Verteilung der Verantwortung zwischen den Mitgliedstaaten ist notwendig, aber nicht genug. Die Ratspräsidentschaft muss jetzt das schwierige Thema europäische Einwanderungspolitik angehen und legale Wege für Zuwanderung schaffen. Nur so kann das Asylsystem entlastet werden. Was der Europäische Rat am vergangenen Wochenende dazu angeregt habe, ist bestenfalls „weiße Salbe ohne konkrete Effekte“.
Auch die Entwicklungspolitik muss sich der Flüchtlingsfrage stärker widmen. Sowohl die EU als auch die Mitgliedstaaten müssen effizienter die Ursachen von Flucht und Auswanderung in den Krisenländern bekämpfen, wie etwa in Syrien, Eritrea, Irak und Somalia. Es geht um das Schicksal von Millionen von Flüchtlingen. Es liegt in unserem eigenen Interesse, Armut, Unterdrückung, Gewalt und Umweltkatastrophen entschieden entgegenzuwirken und mit vorausschauender Politik zu vermeiden. Dazu ist es aber unvermeidlich, den Etat für Entwicklung endlich zu erhöhen und Waffenexporte einzudämmen.
Da es sowohl bei der Flüchtlings- als auch bei Entwicklungspolitik um politisch kontroverse Themen geht, ist keine konfliktfreie Debatte zu erwarten. Italien hat, wie viele Staaten an den Außengrenzen der Union, Interesse an einer gerechteren Verteilung der Flüchtlinge. Die Regierung darf sich dabei aber nicht um die Frage einer gemeinsamen Einwanderungspolitik drücken. Ministerpräsident Matteo Renzi, der dem Europäischen Rat im kommenden halben Jahr vorsteht, muss konkrete Lösungsvorschläge liefern. Europa muss den Schlingerkurs beenden und in eine klare Richtung steuern.
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