Sonntag, 27. Juni 2010

(K)eine Chance für ein Soziales Europa?


Die Lissaboner Verträge, die zurückliegenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs - die Arbeitnehmerrechte betreffend - und die Grundrechte waren Themen der Podiumsdiskussion, die die IG BAU Hamburg-Nord, in Kooperation mit der IG BAU Hamburg, am vergangenen Freitag Abend im Langenhorner Lichtspielhaus durchgeführt hatte. Teilnehmer waren neben mir Vertreter anderer Parteien und Hans-Joachim Wilms von der IG BAU und Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss.

Vorab zeigen die Organisatoren den Film "Ausbeutung einkalkuliert - Arbeitsmigranten auf dem Bau", den die IG BAU kürzlich mit Hilfe der Stiftung Soziale Gesellschaft produzieren ließ. Der Film zeigte die verborgenen Realitäten über Ausbeutung und Sozialdumping. Ergänzt wurde er dann in der Gesprächsrunde durch Erfahrungen und Erkenntnisse der Anwesenden - ich konnte aufgrund meiner DGB-Tätigkeit auch einiges dazu beitragen.

Zielsetzung der Runde war es, der Frage auf den Grund zu gehen, ob die derzeitigen politischen Schwerpunkte von EU-Kommission und EU-Parlament, sowie die jüngsten Entscheidungen des Europäischem Gerichtshofs (EuGH) gegen Koalitionsfreiheit und Dumpinglohn-Schutz noch Raum für ein Soziales Europa lassen. Im ständigen Ringen der wirtschaftlichen "Grundfreiheiten" mit den sozialen Grundrechten jedenfalls, erhielten Wirtschaftsinteressen zuletzt fast immer Vorrang. Wir waren uns einig in der Bewertung der EuGH-Entscheidungen zur Entsenderichtlinie, über die Richtlinie selbst und über den Arbeitsschutz auf europäischer Ebene. Außerdem stellte ich klar, dass sowohl ich als auch meine Partei für eine Soziale Fortschrittsklausel stehen. Die Themen und Fragen aus dem Publikum hatten sehr konkrete Bezüge zur Arbeitsrealität in Deutschland: So sorgte etwa das sogenannte "Rüffert-Urteil" des EuGH dafür, dass sämtliche Tariftreuegesetze der Bundesländer, also jene Vorschriften, die bei öffentlichen Aufträgen Tariftreue vorschrieben, außer Kraft gesetzt wurden. Die Erzwingung von Tariflöhnen auf diese Weise, so der Tenor des Gerichts, sei europarechtswidrig. In den Urteilen "Viking" und "Laval" wurde den europäischen Gewerkschaften fast zeitgleich untersagt, mit grenzüberschreitenden Dienstleistern (beispielsweise im Baubereich) Tarifverträge abzuschließen, die über ein absolutes Minimum hinausgehen. Während hier also gerichtlich Dumpinglöhne und Ausbeutung von Wanderarbeitern festgeschrieben werden, droht schon in naher Zukunft verschiedenen Vorschriften des Arbeits- und Gesundheitsschutzes das Aus: Auch hier plant die EU weitreichende Deregulierungen.

Genug "Stoff" also, um einen Abend lang miteinander zu diskutieren ...

Ich stellte im Zuge der Gesprächsrunde klar, dass die europäische Sozialdemokratie will, dass die sozialen Grundrechte Vorrang vor den wirtschaftlichen Grundfreiheiten haben müssen. Es liegt an uns, die Ziele der EU zu definieren. Sie ist gut und notwendig für uns, aber zu wirtschaftslastig und muss deshalb unbedingt zu einer Sozialunion weiterentwickelt werden. Allerdings brauchen wir dazu die richtigen politischen Mehrheiten: im Rat, der Kommission und im Europäischen Parlament - in allen drei Gremien und in den Führungen der nationalen Parlamenten haben wir zur Zeit eine erdrückende konservativ-liberale Mehrheit mit neoliberaler Denke. Wenn sich da nichts ändert - werden auch weiterhin die Interessen des Binnenmarkts im Vordergrund stehen.

Ich habe wieder viele neue Themen und notwendige Handlungsthemen mitgenommen. Es ist immer auch gut zuzuhören - wo den Kolleginnen und Kollegen der Schuh drückt.

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