Heute hat mir die Kommission wieder mal eine parlamentarische Anfrage beantwortet. Dieses Mal ging es um Leiharbeit in deutschen Kommunen. In deutschen Kommunen werden offenbar immer häufiger nach Ausschreibungen von Aufträgen des ÖPNV Firmen beauftragt, die überwiegend mit Leiharbeitnehmerinnen und nehmern arbeiten. Diese Praxis führt zu einem massiven Druck auf die kommunalen Anbieter, die Preise zu senken. Das geht häufig nur über das Senken der Löhne.
Deshalb hat es mich interessiert, welche genauen Erkenntnisse es zur Situation und Entwicklung von Leih- und Zeitarbeitsverhältnissen in den Kommunen in Europa gibt. Wie sehen die Anteile an den Beschäftigungsverhältnissen bei Anbietern von Verkehrsleistungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus? Gibt es gesetzliche Regelungen und Mechanismen in anderen europäischen Ländern, die wirksam verhindern, dass es bei Ausschreibungen kommunaler Verkehrsdienste zu Leiharbeit und Lohndumping kommt?
Die Antwort der Kommission:
Leiharbeitsfirmen beschäftigen mehr als 3 Mio. Arbeitskräfte (Vollzeitäquivalent), was 1,5 % der Gesamtbeschäftigung in der Europäischen Union ausmacht. Zwischen 1998 und 2008 verdoppelte sich die Zahl der Leiharbeitnehmer – der Anstieg war besonders in den Mitgliedstaaten zu spüren, die ihre Rechtsvorschriften angepasst haben, damit diese Art der Beschäftigung leichter genutzt werden kann. Schwer getroffen von der Wirtschaftskrise, wächst diese Branche nun in der gesamten EU wieder an, vor allem in Deutschland – dort war die Zahl der von Leiharbeitskräften geleisteten Arbeitsstunden im Oktober 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 35,2 % angestiegen.
Soweit der Kommission bekannt ist, liegen keine statistischen Daten über die Nutzung von Leiharbeitskräften durch die lokalen Behörden in der EU und auch keine Aufschlüsselung nach den verschiedenen Vertragsarten bei Anbietern von Verkehrsleistungen in den Mitgliedstaaten vor.
In diesem Zusammenhang möchte die Kommission die Frau Abgeordnete auf die Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit hinweisen, die am 19. November 2008 angenommen wurde und ab dem 5. Dezember 2011 uneingeschränkt gilt. Ziel der Richtlinie ist es, die Qualität der Leiharbeit zu verbessern und den Schutz der betroffenen Arbeitskräfte zu steigern. Insbesondere wird gewährleistet, dass für Leiharbeitskräfte für die Dauer ihrer Überlassung an das entleihende Unternehmen der Grundsatz der Gleichbehandlung gilt. Dies bedeutet, dass diesen Arbeitskräften mindestens die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen – Arbeitsentgelt eingeschlossen – gewährt werden müssen, die auch gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen direkt für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären. Die Richtlinie lässt unter strengen Bedingungen Abweichungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung zu, vor allem um die Sozialpartner in die Lage zu versetzen, die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in Tarifverträgen festzulegen. Nach Ablauf der Umsetzungsfrist wird die Kommission die Maßnahmen, die alle Mitgliedstaaten – auch Deutschland – zur Umsetzung eingeführt haben, gründlich auf ihre Übereinstimmung mit der Richtlinie hin überprüfen.
Die Kommission hat Kenntnis davon, dass Deutschland die Einführung von Mindestlöhnen für Leiharbeitskräfte in Erwägung zieht. Allerdings wurde sie bislang noch nicht über Maßnahmen informiert, die hierzu angenommen wurden.
Was nun die öffentliche Auftragsvergabe anbelangt, möchte die Kommission darauf hinweisen, dass die einschlägigen EU-Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge regeln. Der Inhalt dieser öffentlichen Aufträge wird darin nicht festgelegt. Allerdings darf er selbstverständlich nicht den Gesetzen, Verordnungen und Tarifverträgen entgegenstehen (nationale und EU-Ebene), die in den Bereichen Beschäftigungsbedingungen und Sicherheit am Arbeitsplatz bestehen und die während der Durchführung eines öffentlichen Auftrags gelten, vorausgesetzt, solche Regeln und ihre Anwendung stehen im Einklang mit EU-Recht, insbesondere mit der Arbeitnehmerentsenderichtlinie.
Darüber hinaus ermöglichen es die EU-Richtlinien zur öffentlichen Auftragsvergabe den Auftraggebern, spezifische Bedingungen für die Durchführung öffentlicher Verträge festzulegen, die sich vor allem auf soziale Überlegungen stützt. Es liegt in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, diese Option – so sie dies wünschen – in ihre nationalen Gesetze einzubauen, sofern dies mit den Grundsätzen der EU-Verträge und den relevanten abgeleiteten EU-Vorschriften übereinstimmt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen