Mittwoch, 17. April 2013

Europaabgeordnete debattieren verfassungsrechtliche Lage in Ungarn


Parlament legt als einzige EU-Institution Finger auf die Wunde


Ob Medien-Gesetz, Verfassung oder das ungarische Wahlrecht – wir Europaabgeordneten lassen dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán die wiederholten Angriffe auf die europäischen Grundwerte nicht kommentarlos durchgehen. Auch am Mittwoch stand Orbáns jüngste umstrittene Verfassungsänderung auf der Tagesordnung des Plenums in Straßburg. Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs versäumt es hingegen regelmäßig, sich diesem Thema ernsthaft anzunehmen.


Während sich die Staats- und Regierungschefs weiterhin ausschweigen, legt das Europäische Parlament bislang als einzige EU-Institution den Finger auf die mitten in Europa klaffende Wunde. Diese Hartnäckigkeit in der Sache zahlt sich aus. Inzwischen kommt selbst in den Reihen der Orbán-Freunde zunehmend Kritik an der undemokratischen Politik des ungarischen Regierungschefs auf. Leider erfolgt die Kritik aber immer noch nur hinter vorgehaltener Hand. Im Plenum haben die Konservativen es wieder einmal verpasst, öffentlich Farbe zu bekennen und europäische Grundwerte zu verteidigen.


Anfang März hatte die rechtskonservative ungarische Regierung mit ihrer Zweidrittel-Mehrheit die inzwischen vierte Änderung der erst vor 15 Monaten in Kraft getretenen neuen Verfassung angenommen. Die international umstrittene Novelle umfasst unter anderem eine weitere Beschneidung der Kompetenzen des Verfassungsgerichts und schränkt die Möglichkeit der Wahlwerbung ein. Kritiker befürchten eine unumkehrbare und schwerwiegende Beschneidung der demokratischen Kultur in Ungarn.


Ich begrüße daher die Entscheidung der EU-Kommission, gegebenenfalls auch Vertragsverletzungsverfahren gegen die ungarische Regierung einzuleiten, finde aber, dass es nicht ausreicht, allein auf die Einhaltung einzelner europäischer Richtlinien abzu­stellen. Denn Ministerpräsident Orbán hat wie schon in der Vergangenheit auf die Kritik reagiert und angekündigt, einzelne problematische Regelungen zu überarbeiten. Die EU-Kommission darf sich nicht auf dieses Katz-und-Maus-Spiel einlassen. Rein juristische Korrekturen werden nicht reichen. Die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit als Ganzes muss sichergestellt werden – notfalls eben auch unter Androhung von härteren Schritten.


Die Entwicklungen in Ungarn zeigen, dass die Einhaltung europäischer Werte kein Automatismus ist, sondern stetiger Kontrolle bedarf. Wir Sozialdemo­kraten im EU-Parlament fordern daher einen langfristigen Frühwarn-Mechanismus, um die Einhaltung zentraler europäischer Grundwerte zu überwachen. Genauso selbstver­ständlich wie die EU die wirtschaftliche Entwicklungen in den Mitgliedstaaten überwacht, sollte sie auch die Achtung unsere gemeinsamen Grundwerte überprüfen.


Die komplette Aussprache finden Sie auf europarltv!


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