Das EU-Parlament wird die skandalösen Vorwürfe über die Massenbespitzelung europäischer Bürger detailliert untersuchen. Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres startet am Mittwoch eine Sonderuntersuchung der Spionageprogramme, an der auch der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten beteiligt wird. Der Innenausschuss ist wegen seiner fachlichen Expertise genau das richtige Gremium für eine umfassende Untersuchung der schweren Anschuldigungen. Aufgabe des Ausschusses ist der Schutz der Grundrechte europäischer Bürger, die durch die mögliche verdachtsunabhängige Massenüberwachung massiv bedroht sind.
Nun müssen ohne weitere Verzögerungstaktiken alle Fakten vor den Volksvertretern auf den Tisch. Die Europaparlamentarier hatten in ihrer Resolution vom 4. Juli eine gesonderte Untersuchung der schwerwiegenden Vorwürfe gefordert – es geht um die Totalüberwachung durch US-amerikanische und europäische Behörden. Insbesondere der Zweck der Bespitzelung – geht es um Wirtschaftsspionage? – muss geklärt werden. Bis zum Jahresende soll der Innenausschuss dem Plenum nun einen Bericht vorlegen und konkrete Handlungsempfehlungen formulieren.
Zusätzlich zu einer Sonderuntersuchung durch den Innenausschuss bedarf es weiterer Schritte. Wir müssen die Rechte der Geheimdienste exakter definieren: Was darf der Staat tun, um seine Bürger zu schützen? Und wo ist die bürgerrechtliche Grenze, die eine Demokratie nicht überschreiten darf? Teil des Problems ist, dass die Befugnisse von Geheimdiensten derzeit rein national geregelt werden. Wir brauchen einen europäischen Ansatz bei der Definition von Geheimdienstarbeit. Zusätzlich benötigen wir dringend international verbindliche Gesetze zum Schutz der Bürgerrechte, die unabhängig von ihrer politischen oder wirtschaftlichen Macht für alle Staaten gelten müssen.
Nach Äußerungen des Whistleblowers Edward Snowden steckt die Bundesregierung mit der NSA unter einer Decke. Es ist ein Hohn, dass Merkel den Bürgern angesichts der scheinbar grenzenlosen Zugriffrechte von Geheimdiensten allen Ernstes nahelegt, sie sollten ihre Daten im Internet besser schützen. Diese Woche reisen sowohl Vertreter der EU-Kommission als auch der deutschen Bundesregierung zu Gesprächen über den Prism-Skandal nach Washington. Kommission und Bundesregierung müssen unseren amerikanischen Freunden offen sagen: Orwell’sche Überwachungsfantasien sind mit dem europäischen Rechtsstaat unvereinbar!
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