Freitag, 22. Oktober 2010

Werbung für Scheinselbstständigkeit

Ich habe eine Anfrage an die Europäische Kommission gerichtet, in der ich sie darauf aufmerksam mache, dass das Kommissionsnetzwerk für Scheinselbstständigkeit wirbt.

Hier die Anfrage im Detail:

Anfrage zur schriftlichen Beantwortung E-6049/2010
an die Kommission
Artikel 117 der Geschäftsordnung
Elisabeth Schroedter (Verts/ALE) und Jutta Steinruck (S&D)
Betrifft: Kommissionsnetzwerk wirbt für Scheinselbständigkeit
Das von der Europäischen Kommission durch die Exekutivagentur für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (EACI) betriebene Netzwerk für Unternehmensberatung (Enterprise Europe Network) hat in seinem Newsletter von Juni 2010 über eine „erfolgreiche“ Beratung berichtet, in der das Netzwerk Unternehmen dazu aufgefordert hat, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Scheinselbstständige umzuwandeln, um einen besseren Marktzugang zu erhalten.
1. Ist die Kommission der Ansicht, dass es mit den EU-Verträgen und daraus resultierenden Verordnungen und Richtlinien vereinbar ist, aktiv beratend tätig zu werden, um Arbeitnehmer in Scheinselbständige umzuwandeln?
Wenn ja, wie begründet die Kommission das?
Wenn nein, welche Konsequenzen zieht die Kommission daraus für ihr „Enterprise Europe Network“, welches offen für Scheinselbständigkeit, Lohndumping und das damit einhergehende Umgehen von Gesetzen wirbt?
2. Wie und wann wird die Kommission das Europäische Parlament darüber informieren, gegen welche Vertragsartikel, Richtlinien und Verordnungen im Rahmen dieser Beratungstätigkeit verstoßen wurde?
3. Wird die Kommission ihre Position zur Scheinselbständigkeit offiziell den Regierungen in Deutschland und Österreich zustellen? Wann wird sie das tun?
4. Wird die Kommission eine Antwort in dem Newsletter des Netzwerkes veröffentlichen, und wenn ja, wann wird sie das tun?
5. Wird die Kommission dafür sorgen, dass die betroffenen Mitgliedsstaaten über diese Gesetzesverstöße informiert werden, und dafür, dass die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ihren nach der Entsenderichtlinie gesetzlich zustehenden Lohn und ihre Sozialbeiträge zügig ausgezahlt bekommen?
6. Wird die Kommission dafür Sorge tragen, dass der Aufruf zur Straftat nach deutschen Gesetzen durch die Verfasser des Artikels „Door opens for roof-window SME“ sowie die im Netzwerk tätigen Berater gerichtlich verfolgt wird?
7. Wann und wie wird die Kommission OLAF über diese Vorgänge informieren?

Folgendes antwortete mir die Europäische Kommission:

E-6049/10DE
Antwort von Herrn Tajani
im Namen der Kommission
(22.10.2010)

Der Artikel in Netlife 10 gibt die rechtliche Beratung durch den tschechischen Sachverständigen, Partner im Enterprise Europe Network, nicht vollständig wieder. Wie bei allen an diesem Netzwerk beteiligten Sachverständigen werden europäischen Unternehmen Hilfe und Beratung angeboten, um ihnen zu helfen, europäische und nationale Rechtsvorschriften zu verstehen und einzuhalten. In diesem Fall wurde einem tschechischen Unternehmen klar und zutreffend der Unterschied zwischen der Rechtslage beim Einsatz eigenen Personals und den Vorschriften für Selbständige erläutert.
Der Artikel in Netlife 10 wird überarbeitet werden, und vor der Veröffentlichung weiterer Ausgaben dieser Publikation, die ausschließlich für den internen Gebrauch innerhalb des Netzwerks bestimmt ist, wird die Qualitätskontrolle erweitert werden.
Die Kommission weist den Vorwurf der Scheinselbständigkeit in dieser Angelegenheit zurück, möchte jedoch aus der Anfrage der Abgeordneten ihre Schlussfolgerungen ziehen und angemessene Maßnahmen ergreifen. In Abstimmung mit der EACI werden der Internationale Europäische Bauverband (FIEC), assoziiertes Mitglied des Enterprise Europe Network, und dessen Sozialpartner eingeladen, entweder auf Fortbildungsveranstaltungen für Personal des Netzwerks oder auf dessen Jahreskonferenz ihre Standpunkte zur Entsendung von Beschäftigten und zur grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen darzulegen. Auf diese Weise ist eine wirkungsvolle Sensibilisierung für dieses Thema zu erzielen.
Darüber hinaus ist sich die Kommission des besorgniserregenden Problems der verschleierten Beschäftigung oder Scheinselbständigkeit bewusst. Sie erwähnt dies beispielsweise explizit in ihrem Grünbuch „Ein moderneres Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“ . Dort wird unter anderem angeführt, dass diese illegale Praxis sich zivil- oder handelsrechtlicher Vereinbarungen bedienen kann.
Die Kommission möchte die Abgeordneten jedoch darauf hinweisen, dass das Problem der Scheinselbständigkeit mit dem Ziel, nationale Gesetze zu umgehen, und die damit zusammenhängende korrekte Anwendung und Durchsetzung der betreffenden Rechtsvorschriften in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegen.
Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) schließlich hat laut der Verordnung Nr. 1073/1999 und dem Beschluss der Kommission 1999/352/EG, EGKS, Euratom die Aufgabe, die finanziellen Interessen der Europäischen Union zu schützen. Für den von den Abgeordneten vorgebrachten Sachverhalt ist OLAF nicht zuständig.

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