Im Juli soll der ESM, der dauerhafte „Euro-Rettungsschirm“, in Kraft treten. Er soll als „Brandmauer“ die Euro-Zone schützen – und angeschlagenen Mitgliedstaaten helfen.
Wie funktioniert das, um wie viel Geld geht es dabei und was sind die Risiken?
Was ist der ESM?
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) ist eine internationale Finanzorganisation mit Sitz in Luxemburg. Als dauerhafter „Euro-Rettungsschirm“ löst er langfristig die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) ab. Für eine Übergangszeit – vermutlich bis Ende 2014 – sollen ESM und EFSF parallel laufen, um insgesamt mehr Geld zur Verfügung zu haben.
Welche Aufgabe hat der ESM?
Der ESM soll Schutz und Nothilfe bieten für mehr Finanzstabilität im Euro-Raum. Er soll Euro-Staaten, die in finanzielle Notlage geraten sind, zinsgünstig Geld zur Verfügung stellen: Kredite, Darlehen, Staatsanleihen. Bislang sind die Staaten darauf angewiesen, sich am freien Kapitalmarkt Geld zu beschaffen. In finanzieller Schieflage – entweder, weil sie über Jahre und Jahrzehnte zuviel Schulden angehäuft hatten oder etwa ihre Banken stützen mussten – geraten sie ins Fadenkreuz von Spekulanten. Das heißt derzeit: Sie müssen sich Geld zu so hohen Zinsen leihen, dass der Schuldenberg immer weiter steigt, selbst, wenn sie sparen. Dies soll der ESM verhindern. Auch Banken kann er mit Geld versorgen, wenn durch sie die Stabilität eines ganzen Staates gefährdet ist.
Wie viel Geld steht zur Verfügung?
Bis zu 500 Milliarden Euro kann der ESM an Staaten ausleihen. Dafür braucht er aber ein Stammkapital von insgesamt 700 Milliarden Euro: 620 Milliarden Euro wird der ESM in Form von Anleihen am Kapitalmarkt aufnehmen. Dafür haften die Mitgliedstaaten. Zusätzlich zahlen sie 80 Milliarden Euro als Bareinlage ein. Die Überzeichnung, also das höhere Stammkapital als das maximale Ausleihvolumen, und die Bareinlage verschaffen dem ESM die höchste Bonitätsrate „AAA“ bei den Rating-Agenturen. Das bedeutet: Der ESM kann zu niedrigsten Zinsen Geld aufnehmen und es damit günstig weitergeben. Die Staaten müssen damit weniger Geld an die Banken geben und können stattdessen zum Beispiel Wachstum und Beschäftigung fördern. Damit steigen auch wieder die Steuereinnahmen und der Schuldenberg kann abgetragen werden. Zusätzlich soll für eine begrenzte Zeit auch der EFSF weiterlaufen. Damit erhöht sich die so genannte „Brandmauer“ auf 800 Milliarden Euro.
Wem wird geholfen?
Voraussetzung dafür, vom ESM Geld leihen zu können, ist eine „Gefahr für die Finanzstabilität“ des gesamten Euro-Raums oder eines Mitgliedsstaates. Außerdem muss sich dieser Staat den Fiskalpakt ratifiziert haben, sich also strengen Haushaltsregeln unterwerfen.
Und wer entscheidet das?
Der Gouverneursrat. Er ist das höchste Entscheidungsorgan des ESM. Jedes Land schickt einen Beauftragten in den Gouverneursrat, in der Regel den Finanzminister, und einen Vertreter. Die Mitglieder des Gremiums genießen „Immunität von der Gerichtsbarkeit“, können also für ihre Entscheidungen nicht juristisch zur Verantwortung gezogen werden. Das ist bei allen internationalen Organisationen so, und kein Spezifikum des ESM. Die Vertreter des Gouverneursrates sind ihren jeweiligen Parlamenten rechenschaftspflichtig und werden von diesen kontrolliert. Dasselbe gilt für das Direktorium, das gewissermaßen die Geschäfte des ESM führt – nach den Vorgaben des ESM-Vertrags und der vom Gouverneursrat beschlossenen Satzung des ESM. In dieses Gremium schickt jedes Mitglied des Gouverneursrates einen Vertreter und ein stellvertretendes Mitglied. Das Direktorium fasst Beschlüsse und entscheidet über die Beschäftigungsbedingungen der ESM-Mitarbeiter. Den Vorsitz hat der Geschäftsführende Direktor.
Welche Rechte hat der Gouverneursrat?
Ob einem Land geholfen wird, entscheidet der Gouverneursrat – nach unterschiedlichen Regeln: Für seine Zustimmung zu Stabilitätshilfen, welche wirtschaftspolitischen Auflagen damit verbunden sind und welche Instrumente gewählt werden muss dies einstimmig geschehen. Dasselbe gilt für Entscheidungen über die Zinsen, ob und wie Instrumente für Finanzhilfen geändert werden und ob Aufgaben an das Direktorium übertragen werden. Und, ob und wie das Stammkapital des ESM verändert wird oder ob es Anpassungen bei maximalen Darlehensvolumen geben soll. Einstimmig muss außerdem entschieden werden, wenn der Gouverneursrat Aufgaben an das „Direktorium“ übertragen will. Andere Entscheidungen können mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit getroffen werden. Für Letzteres sind in einigen Fällen 80, in anderen Fällen, wie etwa „Eilentscheidungen“, 85 Prozent der Stimmen notwendig. Weil Deutschland 27 Prozent der Stimmanteile hat, können solche Entscheidungen also nur mit Zustimmung Deutschlands geschehen.
Wie hoch ist der deutsche Anteil am ESM?
27,1 Prozent. Das sind Bürgschaften von 168 Milliarden Euro und zusätzlich eine Bareinlage von 22 Milliarden Euro.
Ist das Geld weg?
Nein, zunächst einmal ist es eine Bürgschaft. Für diesen Anteil haftet Deutschland, wenn der ESM Geld verleiht. Ein Verlust für Deutschland in der Höhe würde entstehen, wenn der ESM sein gesamtes Volumen verleihen würde und alle Schuldner nicht zurückzahlen könnten.
Und wenn das Geld nicht reicht, wer entscheidet?
Grundsätzlich hat der Bundestag das so genannte Budgetrecht. Das heißt: Er entscheidet darüber, wie viel Geld die Bundesregierung wofür ausgegeben darf. Das ist auch beim deutschen Anteil am ESM so. Sollte also eine Erhöhung des Stammkapitals erwogen werden, muss der Bundestag dazu ein Gesetz verabschieden. Dasselbe gilt für ESM-Regelungen, nach denen Finanzhilfen gewährt werden. Wenn sie geändert werden sollen, muss der Bundestag entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich entschieden, dass der Bundestag früher und umfassender zu den Plänen der Bundesregierung unterrichtet werden muss als es in der Vergangenheit geschehen ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen