Debatte und Abstimmung Mittwoch, 23.05.2012 ab 9.00 Uhr
Hintergrund:
Nachdem auf Druck der sozialdemokratischen Fraktion das Europäische Parlament im März letzten Jahres die EU-Kommission zur Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer aufgefordert hatte, legte die EU-Kommission einige Monate später im Herbst einen entsprechenden Vorschlag vor. Der Kommissionsentwurf sieht vor, ab 2014 europaweit Aktien und Anleihen mit 0,1 Prozent zu besteuern. Für Derivate (Termingeschäfte) würden 0,01 Prozent fällig. Die EU-Kommission beziffert die zu erwartenden Einnahmen auf etwa 57 Milliarden Euro pro Jahr. Sie sollen teilweise als Eigenmittel dem EU-Haushalt zufließen und so die Beiträge der einzelnen Mitgliedstaaten reduzieren. Gleichzeitig soll es den Mitgliedstaaten freistehen, Finanztransaktionen auch höher zu besteuern. Diese Einnahmen kämen direkt der jeweiligen Staatskasse zu Gute.
EP-Position:
Der federführende Wirtschaftsausschuss hat sich Ende April deutlich für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene ab 2014 ausgesprochen. Die Abgeordneten unterstützen grundsätzlich den Kommissionsvorschlag und haben ihn an wichtigen Stellen verbessert:
1) Ausgabe- und Eigentümer-Prinzip sollen sicherstellen, dass die Finanztransaktionssteuer nicht umgangen werden kann:
Das erste Prinzip besagt, dass auch Investoren aus Drittstaaten die Steuer abführen müssen, wenn sie Finanzprodukte kaufen, die in einem EU-Land ausgegeben wurden. Somit muss jeder Markteilnehmer, egal ob er innerhalb oder außerhalb der EU ansässig ist, beim Erwerb von Finanzprodukten in der EU Steuern entrichten. Das zweite Prinzip garantiert, dass kein Finanzprodukt legal weiterverkauft werden kann, solange keine Steuer abgeführt wurde.
2) Pensionsfonds sollen von der Besteuerung ausgenommen, Devisengeschäfte aber einbezogen werden.
3) Im Fall, dass eine Einigung auf Ebene der EU27 zeitnah nicht möglich ist, sollen Mitgliedstaaten, die schneller voranschreiten wollen, das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit zur Einführung der Finanztransaktionssteuer nutzen.
Positionen im Rat:
Derzeit blockieren mehrere EU-Länder im Rat, darunter Großbritannien, Schweden und Finnland, eine umfassende Finanztransaktionssteuer. Als Kompromiss ist derzeit eine stark abgeschwächte Alternative nach dem Vorbild der britischen Stempelsteuer im Gespräch. Diese Variante würde allerdings nur Aktiengeschäfte börsennotierter Unternehmen umfassen. Derivate und Anleihengeschäfte blieben damit aber unbesteuert.
SPD-Position:
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen ab kommender Woche ernsthaft über eine europäische Wachstumsinitiative beraten. Eine umfassende europäische Finanztransaktionssteuer können sie dabei nicht ignorieren. Die Milliardeneinnahmen aus einer gerechten Besteuerung der Finanzmärkte ermöglichen Wachstumsimpulse durch Investitionen. Gleichzeitig kann die Steuer einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung von volkswirtschaftlich schädlichen Spekulationen leisten und die Verursacher der Krise an den Kosten beteiligen. Die sozialdemokratische Fraktion war und ist federführend in den Bestrebungen, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen.
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