Vor einigen Wochen stellte ich eine schriftliche Anfrage an die Kommission zu einem Fall von Inländerdiskriminierung, auf die mich eine Bürgeranfrage aufmerksam gemacht hat. Es geht darum, dass Handwerker ohne Meisterbrief in Deutschland nicht selbstständig tätig sein dürfen. Ausländische Arbeitnehmer dürfen jedoch gemäß Dienstleistungsfreiheit auch ohne Meisterbrief selbstständig sein. Dies stellt einen Fall von Diskriminierung dar. Ich fragte die Kommission, was sie in diesem Fall zu tun gedenkt und ob sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland anstrebt. Heute bekam ich die Antwort des zuständigen Kommissars für Dienstleistungen und Binnenmarkt, Michel Barnier: Es ist die Aufgabe des Mitgliedstaates geeignete Maßnahmen zur Aufhebung von Inländerdiskriminierung zu treffen. Im Folgenden können Sie Anfrage und Antwort im Wortlaut nachlesen.
Anfrage zur schriftlichen Beantwortung E-000406/2012 an die Kommission
Artikel
117 der Geschäftsordnung
Jutta
Steinruck (S&D)
Betrifft: Inländerdiskriminierung für deutsche Handwerker
Der EuGH in Luxemburg hat in seinem Urteil vom 11. Dezember 2003 – Rechtssache C‑215/01 – festgestellt, dass ausländische
Unternehmer ohne Eintragung in die Handwerksrolle in Deutschland Aufträge permanent ausüben dürfen.
Deutsche Handwerker ohne Meisterbrief dürfen in Deutschland nicht selbständig arbeiten. Die Dienstleistungsfreiheit gemäß
europäischen Recht diskriminiert sie gegenüber ausländischen Handwerkern, die in Deutschland ohne Meisterbrief selbstständig arbeiten dürfen.
Durch den Meisterzwang in Deutschland registrieren viele deutsche Handwerker ihr selbständiges Gewerbe im Ausland, um im
Nachhinein in Deutschland arbeiten zu können. Damit können diese dann rechtmäßig ohne Meistertitel vom EU-Ausland aus in Deutschland arbeiten.
Damit liegt eine Inländerdiskriminierung für deutsche Handwerker ohne Meisterbrief vor.
1. Was gedenkt die Europäische Kommission gegen diese Diskriminierung und die nur teilweise Durchsetzung der Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Union zu tun?
2. Strebt die Kommission ein Verfahren gegen Deutschland an, um die Einhaltung der Dienstleistungsfreiheit durchzusetzen und die Inländerdiskriminierung zu beenden?
Antwort der Kommission:
DE
E-000406/2012
Antwort von Herrn Barnier
im Namen der Kommission
(5.3.2012)
Inländerdiskriminierung wird durch das EU-Recht nicht grundsätzlich untersagt (Vgl. Beschluss des
Gerichtshofs vom 19. Juni 2008 in der Rechtssache C-104/08, Marc André Kurt v Bürgermeister der Stadt Wels (ABl. C 285 vom 8.11.2008, S. 13-14) zu einer nationalen Regelung, die für die Gründung einer Fahrschule ein Diplom zur Voraussetzung macht, zur Diskriminierung der eigenen Staatsangehörigen gegenüber den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, die von ihren Rechten aus dem Gemeinschaftsrecht Gebrauch machen und nicht unbedingt dem Diplomzwang unterliegen. Der Gerichtshof befand, dass die Artikel 12 EGV, 43 EGV und 49 EGV einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der einem Angehörigen dieses Mitgliedstaats die Anerkennung von ihm erworbener beruflicher Befähigungsnachweise als dem Besitz des Diploms gleichwertig versagt wird, das nach dieser Regelung für die Ausübung einer selbständigen Fahrschultätigkeit in diesem Mitgliedstaat erforderlich ist.).
Die Europäische Kommission hat daher keine Grundlage für die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland in der von der Frau Abgeordneten vorgebrachten Angelegenheit. Es ist Sache des Mitgliedstaats, geeignete Maßnahmen zur Lösung etwaiger Probleme aufgrund einer Inländerdiskriminierung zu treffen.
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