Mittwoch, 19. Oktober 2011

Europa reguliert Leerverkäufe


Parlament setzt sich beim Umgang mit Kreditausfallversicherungen für Staatsanleihen durch / Ministerrat blockiert umfassendere Regulierung


In nächtlicher Sitzung haben sich EU-Parlament, Ministerrat und EU-Kommission nach monatelangen Verhandlungen auf ein Regelwerk für Leerverkäufe und Kreditausfallversicherungen auf Staatsanleihen (CDS) geeinigt. Nach meiner Ansicht nach ein längst überfälliger Schritt. Ungedeckte Leerverkäufe sind reine Spekulationsinstrumente, die in Krisenzeiten fatale Kettenreaktionen auslösen können. Die Verordnung ist daher ein wichtiger Baustein der europäischen Finanzmarktregulierung. Wir hätten bei den Verboten aber noch weiter gehen können. Dafür müssten die EU-Mitgliedstaaten jedoch endlich das konsequent verfolgen, was sie bei internationalen Gipfeln immer vollmundig ankündigen.


So war der Umgang mit ungedeckten Kreditausfallversicherungen für Staatsanleihen bis zuletzt umstritten. Das EU-Parlament bestand auf einem Verbot derartiger Geschäfte, ohne sozialen oder volkswirtschaftlichen Nutzen. Wer sich gegen Kreditausfälle versichert, obwohl er keinen Kredit vergeben hat, dem geht es nur um die Spekulation. Das treibt die Kosten für Staatsanleihen unnötig in die Höhe. Am Ende gab der Ministerrat seinen Widerstand gegen ein Verbot auf. Allerdings kann das Verbot auf Wunsch eines betroffenen Mitgliedstaats für seinen CDS-Markt und nach Prüfung durch die EU-Aufsicht für vorübergehend ausgesetzt werden.


Bei ungedeckten Leerverkäufen sieht der Kompromiss vor, dass die Positionen in Zukunft bis zum Ende des jeweiligen Handelstages mit den entsprechenden Wertpapieren unterlegt sein müssen. Ansonsten drohen den Verkäufern Strafzahlungen. Darüber hinaus kommen neue Transparenzregeln und Informationspflichten zum Tragen. Damit versetzen wir die nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden erstmals in die Lage, bei Marktmissbräuchen durch Leerverkäufe frühzeitig reagieren zu können.


Hintergrund:


Bei Leerverkäufen leihen sich Spekulanten Wertpapiere und verkaufen sie. Vor der fälligen Rückgabe hoffen sie, die Papiere zu einem günstigeren Preis wieder zurückzukaufen. Manche Spekulanten verkaufen sogar Papiere, die sie noch gar nicht besitzen (ungedeckter oder nackter Leerverkauf). Wichtig ist aus Sicht der Zocker nur, dass der Preis am Ende fällt. Denn das bringt Gewinn. Spekuliert wird gegen Unternehmen, Währungen oder ganze Volkswirtschaften. Um diese Praxis zu beenden, hat die EU-Kommission im September 2010 einen Verordnungsvorschlag präsentiert.


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